Gaswagen und Giftstuhl  (Fragment)  (Alexander Solschenizyn, 200 Jahre zusammen. Die russisch-jüdische Geschichte 1795-1916, 1798 - 1916, Herbig, München, 560 S., EUR 29,90)

Von Anfang an befand sich die Geheimpolizei unter der Kontrolle der »jewrej-bolschewiki«. Ihre Biographien enthüllt Solschenizyn im wohl interessantesten Kapital, Überschrift »Die zwanziger Jahre«. Es sind die Biographien von Massenmördern an den Schreibtischen der Tscheka, der OGPU und GPU. Aber nicht nur an Schreibtischen. Die Uritzki, Unschlicht, Katznelson, Bermann, Agranow, Spiegelglas, Schwarz, Asbel, Chaifez, Pauker, Maier, Jagoda nahmen persönlich an Erschießungen teil, am Foltern, Erhängen, Kreuzigen, Verbrennen. Tscheka-Gründer Dserschinski hatte drei Stellvertreter aus dieser Garde der eisernen Bolschewiki: Gerson, Luszki, Jagoda. Eine Elite der »jewrejew-bolschewiki«. Jahre später, beim Bau des Archipel GULag, waren sie abermals an der Front der Vollstrecker zu finden. Den Moskau-Wolga-Kanal vollendete als oberster Sklavenhalter Israel Pliner, beim Zwangsarbeitergenozid am Weißmeerkanal führten Regie Lasar Kogan, Sinowij Katzenelson, Boris Bermann (die Große Säuberung wurde ihr Grab). Solschenizyn auf Seite 293:

»Man kann es nicht leugnen, daß die Geschichte sehr viele Juden zu Vollstreckern des allrussischen Schicksals auserwählt hatte.«

Den Giftstuhl erfand im Auftrag des NKWD der jüdische Hinrichtungskonstrukteur Grigori Mairanowski; als er als ehemaliger Chef des NKWD-Laborinstituts 1951 selbst in der Zelle saß, schrieb er an Berija:

»Bitte vergessen Sie nicht, daß durch meine Hand Hunderte von schweinischen Feinden der Sowjetmacht ihr verdientes Ende fanden.«

Den rollenden Vergasungswagen erfand und erprobte Isaj Davidowitsch Berg, Chef der NKWD-Wirtschaftsabteilung im Bezirk Moskau. 1937, zweiter Höhepunkt der Großen Säuberung; am Fließband wurden Verhaftete zum Tode verurteilt, in Lastwagen gepfercht, zu Erschießungsplätzen gefahren, dann per Genickschuß hingerichtet, dann verscharrt. Ökonomisch eine ineffiziente, zeitraubende, kostenintensive Liquidierungsprozedur, befand Isaj Berg. Also konstruierte er 1937 die fahrende Erstickungskammer, das Vergasungsauto, russisch »duschegubka«. (S. 297) Man verfrachtete die Delinquenten in geschlossene, vollkommen abgedichtete Russki Fords (Benziner). Leitete während der Fahrt die tödlichen Abgase in die Autozelle; am Massengrab kippte man die Leichen in die Grube.