Uran
Transport auf Hitlers Geheiß. Das Schicksal von U-234
Nur ein einziges Mal ging das deutsche
Unterseeboot U-234 im letzten Kriegsjahr auf Feindfahrt. Beladen mit über 560
Kilogramm Uranoxyd wurde es auf dem Weg nach Japan von den geschichtlichen Ereignissen
überrollt - und gab sich und seine wertvolle Fracht in die Hände der Amerikaner.
Kapitänleutnant
Johann-Heinrich Fehler, Kommandant auf U-234
Das auf
der Kieler Germaniawerft gebaute deutsche U-234 befand sich im Nordatlantik,
als Deutschland am 8. Mai 1945 kapitulierte. An Bord befanden sich zu diesem
Zeitpunkt neben der Stammbesatzung unter Kapitänleutnant Johann-Heinrich Fehler
vier Luftwaffenoffiziere, vier Marineoffiziere, zwei Zivilisten und zwei
Japaner. Letztere begingen am 11. Mai Selbstmord. Das U-Boot trug eine 260
Tonnen schwere Fracht, darunter über 560 Kilogramm Uranoxyd, sowie Quecksilber
und einen Düsenjäger (odrzutowiec) des Typs Messerschmitt 262 in Einzelteilen.
Route
von U-234
Zielort
und Art der Fracht hatte die Abteilung "Marinesonderdienst" (MSD)
bestimmt, eine in Friedenszeiten organisatorisch arbeitende und erst im Krieg
in Funktion tretende Kommission. Die Leitung des MSD unterstand bis zum 15. Mai
1944 als Abteilung Ausland IV der Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW),
fachlich dagegen dem Oberkommando der Kriegsmarine. Zu den Aufgaben des MSD
gehörten unter anderem die Bereitstellung und Ausrüstung von
Versorgungsschiffen sowie die Versorgung der im Atlantischen, Indischen und
Pazifischen Ozean operierenden Hilfskreuzer und U-Boote. Die technische
Durchführung dieser Aufgaben erfolgte von Europa aus durch die MSD-Dienststelle
Bordeaux, im überseeischen Ausland durch Vertrauensleute der MSD-Organisation.
Shinchiro
Tomonaga beging noch an Bord von U-234 Selbstmord mit Barbituraten
Schon im
Vorfeld der Fahrt von U-234 waren offenbar zwei oder drei japanische U-Boote
mit deutschem Uran an Bord in Richtung Heimat gestartet. Sie kamen jedoch nie
an und sanken angeblich vor Malaysia. Noch heute gehen einige Historiker davon
aus, dass Tokio das Uranoxyd vor allem für chemische Experimente und
medizinische Zwecke benötigte, da es zu diesem Zeitpunkt nicht über die
notwendigen Reaktoren verfügte, um das spaltbare Uran-Isotop U 235 zu
produzieren, das für den Bau einer Atombombe erforderlich gewesen wäre. Zudem
seien die beiden japanischen Experten an Bord von U-234, Genzo Shoji und
Shinchiro Tomonaga, Spezialisten für Flugzeugbau, Raketentechnik und
U-Boot-Konstruktion und keine ausgewiesenen Atomforscher gewesen.
Andere
Wissenschaftler wie der kalifornische Militärhistoriker Robert K. Wilcox sind
davon überzeugt, dass Japan über ein eigenes geheimes Atombombenprogramm
verfügte und sogar Tests in Nordkorea durchführte. Der Autor des Buches
"Japan's Secret War" glaubt, dass die 560 Kilogramm Uranoxyd an Bord
von U-234 später im so genannten "Manhattan Project" Verwendung
fanden, dem Top- Secret- Programm der Amerikaner zur Entwicklung der Atombombe.
Die
Mannschaft von U-234
Schon
als U-234 am 15. April 1945 Kristiansand verließ und in Richtung Atlantik
aufbrach, war den meisten Offizieren an Bord klar, dass man Japan vermutlich
nie erreichen würde. Als Kapitänleutnant Fehler jedoch am 10. Mai 1945 die
Nachricht erhielt, der Krieg sei vorüber und die Mannschaft solle sich umgehend
den Alliierten ergeben, herrschte Irritation über den Wahrheitsgehalt der
Meldung.
Großadmiral
Karl Dönitz forderte "seine U-Bootsmänner" über Rundfunk zur
Kapitulation auf. "Ihr habt wie Löwen gekämpft", lobte der
Hitler-Nachfolger und schloss mit den Worten: "Es lebe Deutschland."
Fehler glaubte an eine Kriegslist der Alliierten und ließ sein Boot zunächst
abtauchen. Erst als die Kapitulation von der Besatzung eines in der Nähe
tauchenden deutschen U-Boots bestätigt wird, ist er überzeugt. Sein Auftrag lautete:
auftauchen, schwarze Flagge hissen und die Position des Bootes an die
Alliierten weitergeben. Weil sich U-234 zu diesem Zeitpunkt exakt zwischen den
vier für eine Kapitulation vorgesehenen alliierten Zonen befand, hatte Fehler
die Wahl zwischen Gibraltar, Großbritannien, Kanada und den Vereinigten
Staaten. Der Kommandant entschied sich für die Amerikaner.
Am 14.
Mai 1945 ergab sich U-234 östlich des Flemish Cap dem amerikanischen
Geleitzerstörer "USS Sutton" und lief drei Tage später mit einer US-Prisenmannschaft
und weißer Flagge an Bord in den Hafen von Portsmouth, New Hampshire, ein. Die
amerikanische Marine versenkte U-234 im November 1946 am Cape Cod,
Massachusetts.
Daten
und Fakten zu U-234 |
|
Bauauftrag: |
7.
Dez. 1940 |
Werft: |
Krupp Germaniawerft,
Kiel |
Serie: |
U 233
- U 234 |
Typ: |
X B |
Kiellegung: |
1.
Okt. 1941 |
Stapellauf: |
23.
Dez. 1943 |
Indienststellung: |
2.
März 1944 |
Kommandant: |
2.
März 1944 - 19. Mai 1945 |
Ausbildungsboot
von/bis: |
2.
März 1944 - 28. Feb. 1945 |
U-Flottille
Flensburg: |
1.
März 1945 - 8. Mai 1945 |
Fahrten: |
von
Kiel nach Horten, Norwegen |
Verlegungsfahrt: |
von
Horten nach Kristiansand, |
1.
Feindfahrt: |
von Kristiansand
in den Nordatlantik |
Kapitulation
in See: |
14.
Mai 1945 |
Ankunft
in Portsmouth, USA: |
17.
Mai 1945 |
Versenkt: |
20.
November 1947, bei |
Ort: |
40
Seemeilen nordöstlich |
US-Kriegsschiffe
eskortieren U 234 nach Portsmouth
Luftwaffengeneral
Ulrich Kessler sollte den Japanern in Sachen Luftkrieg-Strategien zur Seite stehen.
Der aus Preußen stammender Diplomat und Militärstratege gab während seiner
Befragung durch die Amerikaner zu, dass er geplant hatte, U-234 in Argentinien
zu verlassen
Vor dem Auslaufen
von U-234 in Richtung Japan wurde die Mannschaft zum Abschiedsfest mit
opulentem Buffett geladen
Abschiedsbrief
der japanischen Passagiere Genzo Shoji und Shinchiro Tomonaga. Die von Tokio
entsandten Spezialisten für Flugzeugbau, Raketentechnik und U-Boot-Konstruktion
hatten ihr Leben bei Antritt der Fahrt mit Übergabe eines Samurai-Schwertes
buchstäblich in die Hände des Kommandanten Fehler gegeben
Die
Tauchgänge durch feindliches Gebiet konnten Tage oder sogar Wochen dauern -
Kälte, verbrauchte Luft und extreme Enge an Bord machten der Mannschaft zu
schaffen
Auf
lebensgefährlicher Mission: Schon bei seiner Abfahrt aus Japan hatte Genzo
Shoji seine Frau gebeten, nicht auf seine Rückkehr zu warten
Schon
früh nimmt Deutschland eine führende Position in der Atomforschung ein: 1938
gelingt Otto Hahn erstmals die Spaltung des Uran-Kerns durch Neutronen - bisher
nicht vorstellbare Mengen von Energie werden freigesetzt. Hahn schafft damit
die Voraussetzungen zur technischen Nutzung der Kernenergie sowie zur
Herstellung von Atomwaffen.
Für
viele Mannschaftsmitglieder war es von Anfang an eine Selbstmord-Mission: Das
auf U-234 verschiffte Uran sollte den Japanern Schützenhilfe im letzten
Aufbäumen gegen die Amerikaner bieten. Das U-Boot fiel in die Hände der
Alliierten, die Insassen waren froh, den Krieg überlebt zu haben.
QUELLE:
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