Warum die
amerikanische Mission im Irak chancenlos ist.
Nach fast vier Jahren Chaos und Gewalt im Irak
hat US-Präsident George W. Bush die Entsendung von weiteren 21.500 weiteren
Soldaten in das arabische Land befohlen. Aber auch diese Truppenaufstockung
wird Amerika nicht zum Sieg führen.
Nur zwei
Monate nach den Kongresswahlen bringen sich Republikaner und Demokraten erneut
in Stellung. Mit Präsident Bush (noch) an ihrer Spitze, wollen die Republikaner
einen „Sieg“ im Irak erringen, bevor die Menschen wieder an die Urnen treten.
Mit niemand Speziellem an ihrer Spitze wollen die Demokraten den Krieg so
beenden, dass er ein möglichst schlechtes Licht auf die Republikaner wirft.
Ziemlich gewiss
jedoch werden die Demokraten nicht dem Vorschlag Senator Kennedys und anderer
folgen, die Kriegsmittel zu kürzen und die Truppen nach Hause zu holen.
Wenigstens in dieser Hinsicht ist der Irak nicht Vietnam.
Wie groß die
Kritik der Amerikaner an Bush auch sein mag, anders als vor 40 Jahren fühlen
sie sich zur Unterstützung der Truppen verpflichtet. Was das angeht, hat Bush
seine Gegner genau da, wo er sie haben will. Es ist die US-Armee, auf deren
Kosten dieses Tauziehen geht. 2003 brauchte sie bloß drei Wochen, Bagdad zu
erobern. Sie hatte 130.000 Soldaten im Land und wurde schnell in einen
Guerillakrieg verwickelt, den sie nicht gewinnen kann.
Der Irak ist das, was eine Guerilla braucht
Die Gründe für
das Scheitern Amerikas sind mittlerweile wohlbekannt. Geografisch gesehen ist
der Irak kein kleines Land. Er hat eine große Bevölkerung, ein kompliziertes
Terrain und lange Grenzen, die man nicht schließen kann; genau das also, was,
nach Clausewitz, Guerillas brauchen. Man addiere massenhaft Waffen und einen
praktisch endlosen Nachschub von Männern, die ausgebildet wurden, sie zu
gebrauchen, und das Ergebnis ist eine Mixtur, die man schlichtweg nicht
schlagen kann.
Und um die
Lage noch zu verschlimmern – auf jeden Arabisch sprechenden Amerikaner kommen
1000 Iraker, die zumindest ein wenig Englisch können. Sprechen wir über den
entscheidenden Faktor eines jeden Krieges – Information!
General David
Petraeus zufolge, den Bush zum neuen Befehlshaber im Irak ernannt hat, muss
wenigstens ein Soldat auf 20 Einwohner kommen, um einen Guerillakrieg zu
gewinnen. Allein Bagdad jedoch hat sechs Millionen Einwohner; der Irak
insgesamt vier Mal so viele. Mit 20?000 zusätzlichen Soldaten werden die USA
nicht einmal in die Nähe dieser Rate kommen. Stattdessen werden US Army, Marine
Corps und Nationalgarde nur noch mehr ausgeweidet.
Die Amerikaner als blutige Anfänger
Auch ist nicht
abzusehen, dass die Iraker, wie Präsident Bush zu hoffen scheint, die Lücke
füllen könnten. Über arabische Armeen und Polizeikräfte ist im Licht
vergangener Kriege zu Recht viel Schlechtes gesagt worden. In der Kunst, ihre
Landsleute zu unterwerfen, sind sie allerdings völlig konkurrenzlos; siehe die
langfristige Stabilität diktatorischer Regime wie der Husni Mubaraks, Muammar
al-Gaddafis, Baschar Assads und, bis man ihn stürzte, Saddam Husseins. Geht es
um die Niederschlagung von Aufständen, dann sind die Amerikaner im Vergleich
blutige Anfänger.
Schlimmer
noch, die irakische Armee und Polizei sind zerrissen. Sunniten kämpfen nicht
gegen Sunniten, Schiiten nicht gegen Schiiten, und während Sunniten und
Schiiten gern die jeweils anderen massakrieren, ist keiner bereit, für die
Amerikaner zu sterben – warum auch, wenn die meisten Iraker sich doch deren
Abzug wünschen. In jedem Fall existieren viele irakische Einheiten nur auf dem
Papier. Viele Männer desertieren und nehmen ihre Waffen und was sie gelernt
haben mit.
Chancenlos
auch der Vorschlag der Baker-Kommission, die Nachbarn des Irak, vor allem
Syrien und der Iran, sollten Amerikas Kohlen aus dem Feuer holen. Assad könnte
helfen wollen – das hätte seinen Preis –, doch das Land, das er führt, ist zu
klein und zu schwach, um viel bewirken zu können. Ahmadinedschad wiederum
könnte helfen können, aber im Streit über das iranische Atomprogramm und so
ziemlich alles andere gibt Präsident Bush ihm überhaupt keinen Grund dazu. All
diese Ideen sind Seifenblasen. Manche ist schon geplatzt, andere platzen
später.
Kurzum: Mit
der Entsendung zusätzlicher Truppen hofft Präsident Bush die Republikaner zu retten,
indem er die Unentschiedenheit und Schwäche der Demokraten nutzt. Er wirft
jedoch auch gute Dollars schlechten hinterher. So groß Entschlossenheit und
Kompetenz General Petraeus’ auch sein mögen, wie dieser Krieg endet, steht
fraglos schon fest: mit dem Rückzug der US-Truppen aus dem Irak nämlich und
ihrer Neupositionierung in Kuwait, in dem ein oder anderen Golfstaat und
vielleicht in Jordanien. Und je schneller es dazu kommt, desto weniger Opfer
wird es kosten.
Der Autor ist Militärhistoriker an der Hebrew University in Jerusalem
Übersetzung: Wieland Freund
http://www.welt.de/data/2007/01/12/1174675.html