Germanen – Slawen
Es gibt
zwei Bereiche der deutschen Geschichte, deren Darstellung sich bei näherer
Betrachtung bis in die Lehrbücher der Schulen hinein als recht fragwürdig
erweist. Der eine Bereich ist die jüngste Vergangenheit ab der
Jahrhundertwende. Hier zeigte kürzlich der sog. Historikerstreit, daß wir wohl
beanspruchen können, daß diese Zeit endlich „historisiert", d. h.
wissenschaftlich unvoreingenommen untersucht wird. Der andere Zeitabschnitt
ist die deutsche Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands und der nach den
beiden Weltkriegen verlorenen Gebiete Ostdeutschlands einschließlich der
angrenzenden Gebiete bis etwa 1200. Die allgemeine Lehrmeinung ist hier, daß
die ab Karl dem Großen betriebene Christianisierung der Bevölkerung östlich und
südöstlich der Reichsgrenzen vor allem die „Slawen" betroffen hätte und
daß es sich bei diesen „Slawen" um ein dem deutschen Volk fremdes Volk aus
der sogenannten Satemgruppe der Indogermanen gehandelt habe, das in jene
Gebiete von Osten her eingewandert sei, nachdem diese von den Germanen bis zum
Ende der Völkerwanderung geräumt worden seien. Überdies hätten diese
Ostgermanen, die den „Slawen" ihre Gebiete überließen, nie Anteil am
deutschen Volkskörper gehabt. Die folgende Ostkolonisation hätte nun diese
„Slawen" entweder vertrieben oder unterjocht und dann integriert, weshalb
die deutsche Bevölkerung Mittel- und Ostdeutschlands das Ergebnis der
Vermischung mit „Slawen" sei.
Die
Christianisierung wurde tatsächlich durch Eroberung und mit Feuer und Schwert
(„Tod oder Taufe") und nur zum kleineren Teil friedlich durchgeführt. „Sie
zerstörte eine große Kultur" (Prof. Dr. Lamm, Stockholm). Trotzdem enthält
diese Darstellung in ihrem Bezug auf „Slawen" einen entscheidenden Fehler,
der in jüngster geschichtlicher Vergangenheit verhängnisvolle politische Folgen
gezeitigt hat. Ursache war ein bis heute weitgehend unaufgeklärt gebliebener
Irrtum, der zuerst dem an sich sehr verdienstvollen Herder (t 1803), dann
Bandtke, Schlözer († 1808) und anderen unterlief und der sich letztlich mit
Sprachschlampereien der Kopisten alter lateinischer Chroniken — vor allem von
Helmold v. Bosaus verschollener Urschrift — erklären läßt. In den lateinischen
Abschriften war aus dem ursprünglich verwendeten Wort „sclavi" oder auch
„sclaveni ", das heidnische Ostgermanen bezeichnete, das Wort
„slavi" geworden, das dann auch von späteren Chronisten so verwendet
wurde. Dabei war ihnen, die nach deutscher Mundart das c in „sclavi"
allmählich ausließen, die ursprüngliche Bedeutung offensichtlich noch geläufig.
Erst Herder setzte „sclavi " mit „Slawen" gleich, und damit wird etwa
ab 1800 die Falschübersetzung der Worte „sclavi ", „sclaveni" mit
„Slawen" im heutigen ethnischen Verständnis üblich. Dabei betonen selbst seriöse
Vertreter der Slawistik aus slawischen Ländern immer wieder, daß die Herkunft
des Wortes „Slawen" und die Herkunft der slawischen Völker völlig unklar
sei.
Die
Bedeutung der Falschübersetzung Sclavi = Slawen im heutigen Sinne kann
überhaupt nicht unterschätzt werden, sie ist die ideologische Hauptursache für
den Verlust des deutschen Volksbodens bis zur Oder-Neiße-Linie, des
Sudetenlandes und der Vertreibung der dort lebenden deutschen Einwohner.
Noch
Friedrich der Große schrieb in seinem Werk Denkwürdigkeiten zur Geschichte
des Hauses Brandenbur: „Jede Gegend besaß ihren eigenen Gott. Die Vandalen
einen, der Triglav hieß. Man findet eine Darstellung von ihm auf dem
Harlungerberg bei Brandenburg. Er halte drei Köpfe. " Und die
Chronisten verwandten bis dahin für den Raum östlich und südöstlich der
Reichsgrenzen zumeist die Identität Sclavi = heidnische Ostgermanen und
besonders Sclavi = Vandalen und Vandalen = Wenden und auch z. T. Sclavi
= Slavi.
Zur Zeit
Herders, mit dem die Umdeutung einsetzte, waren die historischen Fakten
offenbar noch weithin richtig bekannt. So nannte sich eine Landsmannschaft in
Mecklenburg beheimateter Studenten an der Universität Jena noch 1815
Landsmannschaft Vandalia. Sie führte aus dem mecklenburgischen Wappen die
Farben Rot-Gold. 1815 ging sie bei der Gründung der Burschenschaft in dieser
auf, die anfangs die Farben des Freikorps Lützow Schwarz-Rot, danach zur
Erinnerung an die alten Kaiserfarben Schwarz-Gold — das Reichspanier unter
Barbarossa zeigte den schwarzen Adler auf goldenem Grund — und ab 1816 die
Farben Schwarz-Rot-Gold führte (P. Knaupp, Europa 2/ 1990). Diese Farben sind
die Vereinigung der Farben des letzten wikingisch-vandalischen Fürstengeschlechts
der Ostgermanen mit den Kaiserfarben des Heiligen Römischen Reiches Deutscher
Nation, wobei der vandalisch-ostgermanische Teil dieser Farben viel älter sein
dürfte als jener andere.
Daß die
Geschichte ganz anders gewesen sein muß, als in den heutigen Lehr- und
Schulbüchern steht, zeigen eigentlich schon die folgenden herausgegriffenen
Befunde. Der Bischof Adalbert von Prag († 977) sagte von sich „Sclavus eram
". Am Grabmahl des ersten Daglingerkönigs, Boleslav 1. (992-1025), das im
12. Jahrhundert im Dom zu Posen aufgestellt wurde, stand „ regnum Sclavorum,
Gothorum live Polonorum" (bei Renovierung beseitigt). Der erste
Geschichtsschreiber des Mesikoreiches, des Reiches der Daglinger (später
Polen), Vinzenz Kadlubek (Gottlobonus) (1160-1223) schrieb, die „alten Polen
sind Nachkommen der Goten und Vandalen". Eine mittelalterliche lateinische
Urkunde weist Rostock aus als „ urbs Vandalica Anseatica ei megapolitana
". Der große Kurfürst (1640-1688) bezeichnete sich als „Kurfürst von
Brandenburg, Pommern, Herzog der Kaschuben und Wandalen" und die
schwedischen Könige bezeichnen sich noch heute als „Könige der Schweden, Goten
und Wenden ".
Der
Entdecker der Falschübersetzung ist Professor Steller (†1972), der sich als
Historiker und Volkstums-, Trachten- und Sprachforscher an der Universität
Breslau besondere Kenntnisse in diesen Problemen vor Ort erwarb. Die Bedeutung
der Entdeckung Stellers wird dadurch nicht gemindert, daß auch er sich irrte.
Entscheidend ist, daß Steller die Identität Sclavi = Slavi = Vandali = Vandalen
= Wenden = Winden nachwies, wobei ihm die von lateinisch schreibenden
Chronisten des Mittelalters z. T. benutzte Identität Sclavi = Slavi offenbar
nicht geläufig war. Inzwischen wurden Chronisten bekannt, die Steller noch
nicht kannte, wie z. B. Albertus Krantzius oder Valvasor, welche diese Identität
voll bestätigen.
Stellers
Erkenntnis war (W. Steller, 11, 1975, S. 25): „Ohne Bedenken wird seitdem — und
zwar bis heute — das Wort „Sclavi" unter unmotivierter Auslassung des c
gebraucht und damit die Textüberlieferung verfälscht. Unkritisch wird dieses
willkürlich modifizierte Textwort als „Slawen" im Sinne des Wortgebrauchs
des 19. Jahrhundert in den mittelalterlichen Dokumenten interpretiert, das
Wort,, Wenden" der mittelalterlich deutschsprachigen Texte demselben
Begriff unterworfen ".
Steller,
der übrigens bei Hitler vortragen sollte, was er jedoch ablehnte, gelang es
nicht, sich mit seinen Erkenntnissen durchzusetzen. 1959 veröffentlichte er sie
in einem Buch, das niemand hatte drucken wollen, weil es der herrschenden
Meinung so offensichtlich ins Gesicht schlug. Die Kritik der Besitzer der
Lehrmeinung verstieg sich bis zu apodiktischen und äußerst unsachlichen, polemischen
Rezensionen und Disqualifizierungen, die hier übergangen werden.
Steller
war zur Unperson geworden. Jeder Historiker weiß davon, doch gelesen hat ihn
kaum einer, und in kaum einer Fachbibliothek stehen seine Werke. Steller baute
in den folgenden Jahren seine Erkenntnisse noch weiter aus und veröffentlichte
diese in zwei Bänden 1973 und 1975, von denen der zweite bei seinem Tode
fertiggestellt war. Beide enthalten eine Fülle von Quellenzitaten.
Seinen
Gegnern antwortete W. Steller 1962 mit der Schrift: Gefahr im Verzuge. Kritiken
und Rezensionen zu W. Steller, Name und Begriff, Wenden' (Sclavi), erschienen
in den Mitteilungen der Landsmannschaft Schlesien, Landesgruppe
Schleswig-Holstein, 16, 1962. Es heißt dort: .....Es sei vermerkt, daß der
Ausdruck ,Slawomanie nicht von mir erfunden ist, sondern von den anerkannten
deutschen Gelehrten der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts gebraucht wird, die sich
gegen die durch Bandtke und Schafarik aufkommende neue Richtung der
Wissenschaft wenden ... Es war dies vor allem eben die Verschmelzung der
mittellateinischen Worte ,Sclavi, Sclaveni' [mit Slawen], die — ich betone es
noch einmal — nichts miteinander zu tun haben, sondern erst spät ,
volksethymologisch', eben durch die bewußte Arbeit jener ,Slawomanen', zu
dieser Begrifflichkeit umgebogen wurden. Von ihnen urteilte eines der
angesehensten Akademie-Mitglieder seiner Zeit im Jahre 1844: ,Die
ungeschichtlichen und darum uns Deutsche verletzenden Hirngespinste der Slawomanen
sollten nun in die gebührenden Schranken zurückgewiesen werden' ... "
Der
Verfasser dieses Buches hat es unternommen, die Quellenzitate Stellers
nachzuprüfen und dann die Quellen ganz zu lesen. Für dieses Buch ist nur
Originalliteratur benutzt worden. Nur aus den Büchern von J. Herrmann — die z.
T. großartige Ausgrabungsergebnisse der letzten 40 Jahre zusammenfassen, die
unter der Führung der damaligen Akademie der Wissenschaften der DDR entstanden
sind — und von Kilian sind eine Reihe von Abbildungen übernommen.
Eine
besondere Rolle spielt die bereits erwähnte Chronik des Helmold von Bosau (†
1170) in der wissenschaftlich authentischen Ausgabe der Monumenta Germaniae
Historica von 1937. Sie trägt den Titel: Helmoldi Presbyteri Bozoviensis
cronika Slavorum. Bei der Neuherausgabe 1910 schreibt nach Vergleichung aller
Abschriften — die Urschrift ist verschollen — der Bearbeiter Schmeidler, er
habe das c in Sclavi „als zu störend" weggelassen. So steht jetzt nicht
nur im Titel sondern auch im gesamten Text stets statt Sclavi das Wort Slavi,
obwohl in Abschriften aus dem Mittelalter Sclavi und Slavi synonym benutzt
wurden und den Abschreibem obendrein die Identität Sclavi = Vandali geläufig
war.
Im
Gelehrtenlexikon von Jöcher 1750 steht unter Helmold von Bosau, er schrieb ein
„ Chronikon Sclavorum et Venedorum ". Im Literaturverzeichnis einer
Chronik des Hauses Brandenburg von W. Jobst von 1652 steht „ Helmoldus in der
Wendischen Chronik". Beides sind Belege dafür, daß das Original anders
hieß als in der heutigen Ausgabe der Monumenta Germaniae Historica.
Die
Tragik liegt darin, daß sich Helmold der Identität von Sclavi = Slavi (wenn er
dieses Wort überhaupt benutzte, was wegen Verlust der Urschrift kaum mehr
erweislich ist) = Vandali sehr wohl bewußt war, Ende des 18. Jahrhunderts aber
Vandali aus dem Bewußtsein schwand und zuletzt bei dem quellenunkundigen
Herder aus Sclavi irgendeine große, den Germanen und Deutschen fremde
Völkerfamilie wurde. Nur so konnte die Chronik von Helmold, wenn auch zu
Unrecht, zu einer der wichtigsten Grundlagen der polnischen Gebietsforderungen
werden.
Diese
tragische Entwicklung wurde besonders von eben jener katholischen Kirche
befördert, die selbst als treibende Kraft bei dem sich über 600 Jahre
erstreckenden Holocaust der Christianisierung gewirkt hatte. Ihr unheilvoller
Einfluß begann vor allem, nachdem das von der Reichskirche unabhängige
Erzbistum Gnesen 1000 n. d. Ztr. gegründet worden war und setzt sich bis heute
fort.
Die
Chronistik ist einer der Wege, auf dem sich dieses Buch der historischen
Wahrheit nähern will. Daneben bedarf es der archäologischen
Zweigwissenschaften. Beispielsweise schreibt noch H. Wolfram (1990, S. 32),
indem er römischen Schilderungen folgt: „Immer wieder mußte neuer Boden
gewonnen werden, weil die barbarische Wirtschaft eine Mangelwirtschaft war und
den vorhandenen Siedlungsboden bei weitem nicht entsprechend nutzen konnte ...
Überschüsse gab es aber entweder nicht, oder es war damit nichts anzufangen,
weil keine Vorräte angelegt werden konnten .. So aß jeder dieselbe eintonige
Mahlzeit. " (s. Kap. 7.3. So wie die Germanen von den Römern und
Byzantinern nur einseitig dargestellt wurden und unsere Geschichtsbücher heute
noch Germanen durch römische Brillen sehen, so sind auch die heidnischen
Ostgermanen ebenso einseitig durch die Brillen der Chronisten des christlichen
Heiligen Römischen Reiches gesehen worden. Bezüglich der Goten muß z. B. C.
Engel (1942) feststellen: „Wir lernen aus ihnen [den spätantiken
Geschichtsschreibern] die Goten nur in ganz einseitiger Weise ... kennen. Es
ist also nicht möglich, aus antiker Überlieferung ein treffendes Bild von der
Wesensart, Ausdehnung und Bedeutung des ukrainischen Gotenreichs zu gewinnen.
" Tatsächlich ergibt sich aus den im Buch zusammengefaßten
Einzelforschungsergebnissen ein ganz anderes Bild.
Als
besonders schwierig erweist sich der Umgang mit dem unverzichtbaren Begriff
„Volk". Wenn dieser Begriff heutzutage als „romantische Vorstellung vom
Ethnos" (Wenskus 1961, ähnlich Bosl 1964, Wolfram 1990) einfach abgetan
werden kann, wird etwas von dem ideologischen Druck sichtbar, der auf der
Wissenschaft lastet. Dabei hatte die deutsche Romantik eine durchaus richtige
Vorstellung von der Bedeutung des Begriffes Volk. In heutiger Zeit wird zwar
häufiger der Begriff Nation gebraucht, der auf die französische Revolution und
die Zeit der Aufklärung zurückgeht. Das Wort Nation leitet sich aber von
nasci, geboren werden, ab und meint wiederum Volk als Abstammungs- und
Vererbungsgemeinschaft. So ist auch die Verwendung des Begriffs Nation, wenn
sie nur auf die Einwohner eines Staatsgebildes bezogen wird, von Grund auf
falsch. Besorgt schreibt L. Kilian (1988, S. 30 f.): „Man fragt sich auch,
warum die Bezeichnung, Volk', welche die Sprachforschung mit Recht für eine
Sprachgemeinschaft benutzt, aufgegeben werden soll. Und weiter: „ Wir können
bei Kulturprovinzen von der Existenz sprachlicher und damit völkischer Gruppen
als Kulturträger ausgehen. Die sprachlich-völkische Bedeutung einer
Kulturprovinz hat also m jt Abstand Vorrang vor anderen."
/ In der
Forschung stehen heute die Hinterlassenschaften von Kulturen an erster Stelle
des Interesses. Die Frage nach den Trägem von Kulturen und deren ethnischer
Zuordnung wird kaum noch gestellt, vielfach wird die Existenz von Völkern sogar
ganz geleugnet und damit auch der Zusammenhang, auf den Kossinna, einer der
Begründer der Siedlungsarchäologie, 1895 in einem Vortrage vor der deutschen
Anthropologischen Gesellschaft hinwies: „S c h a rf u m g r e n z t e [Hervorhebung
v. V.] Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit bestimmten Völkern oder
Volksstämmen. " Dafür, daß fremde Kulturen aufgepfropft werden können —
was auch Kossinna bekannt war —, gibt es in der Geschichte eine Fülle von
Beispielen, ebenso dafür, daß Kulturgut über ethnische Grenzen hinweg
ausgetauscht wird. Bei unabhängiger Entwicklung werden eigenständige Kulturen
jedoch vor allem gemäß dem genetischen Potential des betreffenden Volkes
entwickelt. Wenn dies nicht so wäre, gäbe es heute und hätte es in der
Vergangenheit keinerlei kulturelle Unterschiede gegeben.
Die
Bedeutung von Völkern erklärt sich aus allgemeinen Entwicklungsgesetzen der
Evolution des organischen Lebens. Auch beim homo sapiens ist die Entstehung von
Völkern (Populationen) mit körperlichen wie nichtkörperlichen Eigenschaften,
die von Volk zu Volk unterschiedlich genetisch programmiert sind und vererbt
werden, ein Wesensmerkmal des Fortschritts der Evolution.
Daß die
vor allem von marxistischer Seite postulierte Milieutheorie ein untaugliches
Mittel zur ~olleleinigen Erklärung solcher Evolutionen ist, dürfte wohl
feststehen. Ebenso, wie sich die starke der genetischen Grundlagen bei der
Entwicklung der nichtkörperlichen, also der geistigen, seelischen,
charakterlichen Eigenschaften durch die Forschungen an eineiigen Zwillingen in
den letzten Jahrzehnten zweifelsfrei erweisen ließ, lassen sich auch
entsprechende Aussagen über die Rolle der Vererbung nichtkörperlicher
Eigenschaften bei der Entwicklung von Völkern treffen. In diesem Zusammenhang
sind auch neuere Forschungen von Prof. Jensen u. a. in den USA zu sehen, die
dort eindeutige Zuordnungen bestimmter IQ-Verteilungen zu bestimmten Großrassengruppen
nachweisen konnten.
unvermischte
Völker sind Abstammungs- und Vererbungsgemeinschaften mit jeweils eigener
Sprache, Religion, Kultur, einem eigenen Volks- und Wertbewußtsein („
ethnisches Bewußtsein 1.. Kilian 1988, S. 30) sowie einem eigenen Selbsterhaltungswillen.
Daß Völker u. a. als „genpools" anzusehen sind, selbst in teilweise
vermischter Form, sieht man auch daran, daß jeder aus der Bevölkerung der vier
germanischen Stämme, die unter Heinrich 1. das regnum theodiscum bildeten, in
der Stammtafel jedes Deutschen durchschnittlich etwa millionenmal vorkommt.
Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang aber auch, was sich aus neuesten
populationsgenetischen Forschungen ergibt (Adam 1991), nämlich, daß nur solche
Populationen über einen längeren Zeitraum (von 20 und mehr Generationen)
überlebensfähig sind bzw. im Verlauf der Geschichte überlebt haben, deren
Einzelmitglieder untereinander genetisch ausreichend ähnlich sind. Diese
Erkenntnis ist wichtig für die Betrachtung solcher historischer Entwicklungen,
wie sie gerade in diesem Buch im Vordergrund der Untersuchung stehen.
Die
gemeinsame Sprache eines Volkes setzt eine Sprachentwicklung voraus, die von
anderen Völkern weitgehend abgegrenzt und unabhängig war, wenn also über einen
langen Zeitraum mit Bestehen von bestimmten Schranken (z. B. Heiratsschranken
oder räumliche Abschließung) die Evolution von eigenständigen Völkern
ermöglicht worden ist. Ähnliches gilt für die Entwicklung in anderen Bereichen
des Volkslebens, insbesondere in bezug auf die Werteordnung und die daraus
folgende Gesittung, Rechtsordnung und Staatsordnung. Andererseits führt die
Beseitigung der Unabhängigkeit eines Volkes im Regelfall zur Auflösung seiner
eigenen Kultur, zur Übernahme fremder Kultur und Sprache und zuletzt zum völligen
Verschwinden durch genetische Vermischung mit Angehörigen anderer Völker. So
sind die mediterranen romanischen Völker mit romanischen Sprachen das Ergebnis
solcher Entwicklungen im römischen Imperium, wie sie z. B. Kaiser Augustus
betrieb, als er 500 000 römische Bauern von ihren Höfen vertreiben ließ, um
dort ausgediente Legionäre anzusiedeln, die aus dem gesamten Weltreich kamen,
aber kaum aus Italien.
Der
Autor unternimmt es in diesem Buch, auf der Grundlage einer Vielzahl
archäologischer Befunde und unter Zuhilfenahme linguistischer und
anthropologischer Untersuchungsmethoden eben die verdrängte Frage nach der
ethnischen Zuordnung zu stellen und die Ergebnisse in Beziehung zu den
chronistischen Befunden zu setzen. Untersucht wird die Vor- und Frühgeschichte
des Ostraumes, soweit sie auf germanischen Stämmen beruht, bis etwa 1100 bis
1200 n. d. Ztr. Die folgende Zeit, in welcher die aus ehemals germanischer
Wurzel entstandenen Völker. die heute zur großen slawischen Völkerfamilie
gerechnet werden, sehr individuelle ethnische Veränderungen erfuhren, bleiben
hier außer Betracht.
Der
Verfasser, aus Mitteldeutschland stammend und von Jugend an vertraut mit
Problemen der Slawenfrage, dankt allen, die ihn durch Zusendungen
unterstützten, besonders aber Frau Dr. Heißig, München, für die Übersetzung
tschechischer Literatur, Herrn Studiendirektor Egger und Herrn stud. phil. M.
Egger, Geltendorf, für Übersetzungen, Herrn G. Dattenböck, St. Martin, Stmk.,
für eine Kopie der Chronik des Valvasor und Hemm J. Wittmann, Braunschweig, für
die Genealogie der Daglinger. Er dankt dem Anthropologischen Institut der
Universität Mainz für die Benutzung der Anthropologischen Datenbank, hier
besonders für die Hilfe von Herrn Dr. Jäger. Ebenso dankt er dein Verlag für
die Veröffentlichung und die vorzügliche Gestaltung.
Prof.
Dr.Helmut Schröcke, 1996